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Kurzer Prozess statt kritischer Auseinandersetzung? Neue Gefahren für unbequeme Denkmäler
Veröffentlichung: 16.02.2021, letzte Bearbeitung: 14.07.2021
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Der Kunsthistoriker Martin Warnke meinte vor einigen Jahrzehnten, dass Bilderstürme ein abgeschlossenes historisches Phänomen seien. Diese Hoffnung teilten auch viele Denkmalpfleger und Denkmalpflegerinnen. Doch die Angriffe auf Denkmäler im Zuge der Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung führen uns einmal mehr vor Augen, dass dies ein großer Irrtum war. In den Vereinigten Staaten ebenso wie in mehreren Ländern Europas wurden im Jahr 2020 zahlreiche Statuen von ihren Sockeln gestoßen oder beschädigt. Auch in Deutschland mehren sich Forderungen nach Beseitigung von verschiedenen Denkmälern, die mit Rassismus und Kolonialismus in Verbindung gebracht werden.
Die Denkmalpflege beschäftigt sich seit langem mit unbequemem Kulturerbe. Gerade in Deutschland hat der Umgang mit Bauten und Denkmälern zweier Diktaturen vielfach den Anstoß dazu gegeben. So verständlich und mitunter auch politisch geboten die Beseitigung von Symbolen eines überwundenen Regimes in Umbruchzeiten sein kann, so setzte sich in der Denkmalpflege die Einsicht durch, dass langfristig auch ein schwieriges, mit unangenehmen Erinnerungen und Konnotationen behaftetes Denkmalerbe schützenswert ist. Dafür sprechen der historische Zeugniswert und damit das aufklärerische Potential für die Zukunft, oftmals aber auch der Kunstwert der Denkmäler. Deshalb hat sich die Denkmalpflege immer wieder für den Erhalt von baulichen Relikten des Dritten Reiches oder auch von politischen Denkmälern der DDR eingesetzt. Wenn solche Hinterlassenschaften nicht mit heutiger Erinnerungskultur vereinbar sind, können mit kommentierenden Inschriften oder auch mit einem Gegendenkmal historische Einordnungen vorgenommen und zugleich Distanz zum Ausdruck gebracht werden. Mehrere gelungene Beispiele zeigen inzwischen, dass sich mit diesem aufklärerischen Ansatz Ansprüche der Geschichtspolitik und des Denkmalschutzes in Einklang bringen lassen.
In den aktuellen Diskussionen um das Erbe des Kolonialismus und des Rassismus treten allerdings viele Initiativen auf den Plan, die im Namen politischer Korrektheit mit missliebigen Denkmälern lieber kurzen Prozess machen wollen, als sich auf eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihnen einzulassen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse der Denkmalpflege im Umgang mit schwierigem Denkmalerbe spielen in den aufgeheizten Debatten bisher kaum eine Rolle. Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz möchte dies ändern, indem es das Thema in den Fokus seiner Aktivitäten rückt. Denn die Denkmalpflege darf sich nicht zurückhalten, wenn Denkmalverluste drohen.
Prof. Arnold Bartetzky, Mitglied der DNK-Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit