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50. Geburtstag der Interessensgemeinschaft Bauernhaus e. V.
Veröffentlichung: 25.05.2023, letzte Bearbeitung: 25.05.2023
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Kompetenz, Leidenschaft und Willensstärke. Diese und viele weitere Attribute können ihr zugeschrieben werden: Der Interessensgemeinschaft Bauernhaus e. V. (IgB), die 1973 in der Grafschaft Hoya gegründet wurde. Für Ende April hatten die Geschäftsführerin Dr. Julia Ricker und der Bundesvorsitzende Hajo Meiborg zum 50. Geburtstag in die Region eingeladen, in der der Weg der IgB begann. Von den 6.000 Mitgliedern waren rund 200 der Einladung gefolgt und verbrachten drei Tage dort, wo das Hallenhaus „Kult“ ist.
Wie vor 50 Jahren stand auch jetzt das Niederdeutsche Hallenhaus im Mittelpunkt. Charakterstark im Kern und in der Außenhülle, historisch und kulturell wertvoll und wichtiges Zeugnis einer besonderen Kulturlandschaft. Dank des steten Einsatzes der IgB-Mitglieder konnten sie bis heute erhalten werden.
IgB-Vorstandsmitglied Heinz Riepshoff erinnerte an die Gründung der IgB 1973 in Kirchseelte bei Bremen, mit damals 75 Mitgliedern. Bereits zwei Jahre später erschien der erste „Holznagel“ — eine Vereinszeitschrift, die bis heute als Nachschlagewerk deutschlandweit gefragt ist. Riepshoff erinnerte an die Zeit des Wirtschaftswunders, in der die Erneuerung und Modernisierung vielerorts den Abriss historischer Substanz bedeutete. Ein altes Gehöft zu sanieren, schien unwirtschaftlich. Die Feuerwehren konnten in dieser Zeit den „warmen Abriss“ zum Event mit Feuerwehrübung erklären.
Dass dort Höfe und Land keinen Wert mehr haben sollten und diese für wenig Geld zu bekommen waren, wollten auch Julius und Trudi Kraft nicht glauben. 1971 zogen sie – wie viele andere Städter auch — raus aufs Land und arbeiteten hart an ihrem neuen Landleben. Das Orkantief „Quimburga“ aber fegte 1972 über das Land, vieles von dem, was bereits durch die Zugezogenen wieder aufgebaut worden war, wurde zerstört, viele Häuser von den Behörden als nicht mehr bewohnbar erklärt. Man bekam die Auflage, sie abzureißen. Der Autor und Grafiker Julius Kraft, selbst nicht betroffen, setzte sich für die vielen Geschädigten und für den Erhalt der Baukultur ein. Es war die Geburtsstunde der IgB, sie war dem Willen der Menschen geschuldet, die ihre Häuser wieder aufbauen und die Kulturlandschaft erhalten wollten und sich gegen den behördlich angeordneten Abriss wehrten.
Dr. Heinrich Stiewe vom Westfälischen Freilichtmuseum Detmold hielt eine Laudatio auf das Niederdeutschen Hallenhaus, das in der Jubiläumsfeier zum „Bauernhaus des Jahres 2023“ gekürt wurde. Dr. Stiewe, auch Kontaktstellenvertreter der IgB und Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Hausforschung, nannte das Hallenhaus „den Inbegriff ländlicher Kultur im Norden Deutschlands“. Es präge nicht nur die Landschaft der norddeutschen Tiefebene – dem heutigen Bundesland Niedersachsen – sondern hätte Einfluss auf die Bauweisen weit über die Landesgrenzen hinweg. Dr. Stiewe führte anschaulich durch das Niedersächsische Hallenhaus vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Das Hallenhaus war ein Einhaus, in dem Menschen und Vieh in traditioneller Ordnung zusammen unter einem Dach lebten. Die hallenartige Diele war befahrbar und an den Hausseiten befanden sich Ställe, die Herdstelle und das Kammerfach. Die Zwei‑, Drei- oder Vierständerbauten mit ihren „Nedder- und Grotdören“ waren mit Inschriften und bemalten Schnitzereien verziert.
Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dr.-Ing. Christina Krafczyk, gratulierte persönlich zum Jubiläum. In ihrem Grußwort lobte sie das jahrzehntelange Engagement für die Erhaltung der Baukultur im ländlichen Raum. „Die IgB verstehe sich als unbedingte Fürsprecherin für die historische Bausubstanz, das werde auch an den Positionspapieren, die in den ländlichen Raum wirken sollen, deutlich“, so Krafczyk.
Auch Dr. Ulrike Wendland, Geschäftsführerin des DNK, gratulierte der IgB. Diese sei, so Wendland, eine der Gründungsinstitutionen des DNK gewesen, welches ebenfalls in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiere.
Diana Wetzestein (AG Fachliche Fragen der Denkmalpflege)