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Dorfgasthöfe in Oberschwaben. Co-Working-Spaces auf dem Land
Veröffentlichung: 28.11.2021, letzte Bearbeitung: 28.03.2023
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Das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg befasste sich in den vergangenen Jahren in dem Projekt „Ländliche Gasthöfe in Oberschwaben“ mit der praxisorientierten Vertiefung des Denkmalwissens um diese Baugattung. Gasthöfe sind auf dem Land weit verbreitet, verlieren jedoch zunehmend ihre Nutzung. Aufgrund ihrer Bedeutung als Gebäude in der Ortsmitte und Identitätsanker sollen sie als Denkmale erhalten bleiben. Es stellt sich daher die Frage: wie können historische Dorfgasthöfe erfolgreich nachgenutzt werden? Dieser Frage ging der 15. Studierendenworkshop des DNK nach. Neunzehn Studierende aus ganz Deutschland wurden ausgewählt, im Gasthof Adler in Isny-Großholzleute die historischen Schichten des bis 1409 archivalisch nachvollziehbaren ehemaligen Amtshauses von Großholzleute zu untersuchen. Die Grundlagen bildeten Inputvorträge von Referenten des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg aus den Bereichen Inventarisation und Bauforschung, praktische Baudenkmalpflege, Restaurierung und Finanzierung sowie eine eintägige Exkursion zu verschiedenen leerstehenden aber auch genutzten Dorfgasthöfen in der Region.
Das pädagogische Programm erstellten Prof. Franz und Prof. Maybaum von der Fakultät Bauen und Erhalten an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Sie befassen sich seit Jahren mit den Themen Nachnutzung historischer Gebäude und Co-Working im ländlichen Raum. Als Mitglied der Arbeitsgruppe „Fachliche Fragen im Denkmalschutz“ stellte Frau Franz ihre Expertise für den Studierendenworkshop zur Verfügung, mit dem Ziel, das Konzept Co-Working als historisch evidentes Konzept – denn Gasthöfe waren Arbeitsplatz, Kontaktbörse und Nachrichtenbüro – in die Gegenwart zu transferieren. Die fortschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt und die Wiederentdeckung des Landlebens nehmen seit der Corona-Pandemie an Fahrt auf. Diese Entwicklung kann genutzt werden, um ländliche Regionen, die bisher stark unter dem wirtschaftlichen Strukturwandel litten, wieder stärker zu bevölkern und das Arbeiten vor Ort zu ermöglichen. So kann dort eine hohe Lebensqualität garantiert werden. Aber was ist nötig, um diese Ziele umzusetzen? Zunächst eine gute und stabile Internetverbindung, wie die Studierenden vor Ort selbst erfuhren und die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs.
In Gruppen entwickelten die Studierenden Konzepte für den Gasthof als Co-Working Space mit Werkstatt, Atelier, Veranstaltungsraum oder Computerarbeitsplatz. Die Ergebnisse präsentierten sie in einer Ausstellung zum Tag des offenen Denkmals einer breiten Öffentlichkeit.
Besondere Freude bereitete den Studierenden ihre Vorstellungsrunde in Form eines Pecha Kucha Vortrags sowie die Erforschung der Umgebung mit den Instrumenten der Promenadologie. Last but not least war auch die gastronomische Versorgung durch das Eigentümerehepaar Baumeister und den Koch Herrn Wöhrle förderlich für die erfolgreiche Durchführung des Workshops und die tollen Ergebnisse. Die Studierenden Alina Volz und Marvin Eil übernahmen den Instagram-Account des DNK und berichteten über den Workshop. Da die Storys großen Anklang fanden, gibt es nun den Film zum Workshop.
Die Arbeitsgruppe „Fachliche Fragen der Denkmalpflege im Deutschen Nationalkomitee des DNK“ veranstaltet jährlich einen einwöchigen Studierendenworkshop mit einer öffentlichen Präsentation der Ergebnisse zum Tag des offenen Denkmals. Für die Workshops werden denkmalfachlich interessante Objekte aus den Bundesländern ausgewählt, zu denen es aktuelle Fragestellungen und Forschungen gibt. Ziel ist es, dass die Studierenden mit ihren Untersuchungen zur Forschung beitragen und Wege für den Umgang mit dem Denkmal aufzeigen. Dies soll gewährleiten, dass die Ergebnisse der Studierenden weiter genutzt werden und über die Übungen an Hochschulen hinausgehen. Durch die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Landesamt für Denkmalpflege, den Unteren Denkmalschutzbehörden und Architektur- und Planungsbüros sowie einer Hochschule werden die Studierenden an die Praxis herangeführt und können sich vernetzen.
Der Workshop wird jährlich von Februar bis Mai ausgeschrieben. Bewerben können sich Studierende verschiedener Fachrichtungen. Die Interdisziplinarität und bundesweite Herkunft der Studierenden sind zu berücksichtigende Elemente bei der Auswahl der Teilnehmer*innen. Vorerfahrungen in der Denkmalpflege sind gewünscht, aber nicht zwingend erforderlich.
Corinna Tell (Geschäftsstelle des DNK)