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Große Sorgen um die Denkmäler
Veröffentlichung: 15.03.2021, letzte Bearbeitung: 14.07.2021
Lesezeit: 11 Minuten
Interview mit Dr. Andrea Pufke und Dr. Erich Claßen zur geplanten Neufassung des Denkmalschutzgesetzes
Köln. 12. März 2021. Seit gut einer Woche liegt den Landschaftsverbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) ein Entwurf zur Novellierung des Denkmalschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (DSchG NW) vor. Der Absender ist das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW. Bis zum 9. April haben die Landschaftsverbände Gelegenheit, sich zu dem Entwurf zu äußern.
Dr. Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege, und Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege, erklären, was ihnen Sorge an den geplanten Veränderungen bereitet.
Wie ist Ihre Einschätzung zur geplanten Änderung des Denkmalschutz-Gesetzes?
Andrea Pufke: „Ich habe zum ersten Mal wirklich große Sorgen um die Baudenkmäler im Rheinland. Denn die Stellung der Denkmalfachämter für Baudenkmalpflege wird in vielen Punkten entscheidend geschwächt und das vorhandene Wissen gar nicht mehr abgerufen.
Denkmalschutz und Denkmalpflege sind dann erfolgreich, wenn sich alle Beteiligten gemeinsam für die Erhaltung der Denkmäler einsetzen: Menschen, die ein geschütztes Haus bewohnen und pflegen, die Unteren Denkmalbehörden in den Städten und Gemeinden, die vor Ort unterstützen und entscheiden, und das Denkmalamt beim Landschaftsverband Rheinland, das sein Fachwissen in die Beratung und Betreuung von Maßnahmen einbringt. Das klappt in der Regel auch sehr gut, wie auch die jüngste Evaluierung des Gesetzes gezeigt hat. Doch dieses Zusammenspiel gerät durch das neue Gesetz in Schieflage. Die Fachleute der Denkmalämter für die Baudenkmalpflege sollen beispielsweise künftig nur noch angehört, aber an Entscheidungen nicht weiter beteiligt werden, selbst wenn ein Denkmal abgebrochen oder stark verändert werden soll. Darin sehe ich eine große Gefahr für die Zukunft der Denkmäler, die auf diese Weise leicht kurzfristigen, oft wirtschaftlichen Interessen zum Opfer fallen können.“
Erich Claßen: „Vorausgeschickt sei, dass wir sehr gut mit dem bisherigen Gesetz, das 2013 für die Bodendenkmalpflege in wesentlichen Punkten novelliert wurde, hätten weiterarbeiten können. Der jetzige Entwurf beinhaltet zwar einige begrüßenswerte Änderungen, regelt leider aber die Verfahren unklarer als im bestehenden Gesetz und es ist zu befürchteten, dass dadurch nicht alle erhofften Erleichterungen für Kommunen sowie Eigentümerinnen und Eigentümer wirklich eintreten werden.“
Betreffen die Änderungen die Denkmalpflege und Bodendenkmalpflege gleichermaßen?
Erich Claßen: „Gleichermaßen sicher nicht, aber es werden auch grundsätzliche Punkte geändert die beide Fachrichtungen betreffen. So zum Beispiel, dass jetzt als erste Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege die wissenschaftliche Erforschung benannt wird, während Schutz und Pflege von Denkmälern erst an dritter bzw. vierter Stelle folgen. Das ist – nicht nur aus meiner Sicht – eine bemerkenswerte Verschiebung der Prioritäten in einem Denkmalschutzgesetz.
Für die Bodendenkmalpflege im Speziellen gibt es einige positiv zu bewertende Aspekte, aber manches wird dem Schutz von Bodendenkmälern auch nicht unbedingt zuträglich sein. Zum Beispiel soll nun die Obere Denkmalbehörde beim Kreis oder der Bezirksregierung direkt über das Ob und Wie eines Eingriffs in ein Bodendenkmal entscheiden. Bislang hatte die Untere Denkmalbehörde in der Kommune vor Ort in einem ersten Schritt zu beurteilen, ob ein Eingriff überhaupt erlaubt werden kann. Dies könnte dazu führen, dass die Frage des Denkmalerhalts künftig gar nicht mehr gestellt, sondern direkt die Ausgrabung genehmigt wird. Diese hat, auch wenn sie noch so gut durchgeführt und dokumentiert wird, immer die Zerstörung des Bodendenkmals zur Folge.“
Andrea Pufke: „Die Baudenkmalpflege ist deutlich stärker betroffen. Sie muss zwar im Rahmen einer Anhörung beteiligt werden, aber sie verliert ihre Mitwirkungsrechte bei allen Entscheidungen im Denkmalschutz. Es ist zu befürchten, dass die Fachexpertise der Denkmalämter für Baudenkmalpflege bei den Landschaftsverbänden nicht mehr in die Entscheidungen einfließt – zum Nachteil der Denkmäler und deren Eigentümerinnen und Eigentümer. Im neuen Gesetz sind viele Verfahren für die Baudenkmalpflege ganz anders geregelt als für die Bodendenkmalpflege. Dazu gehören grundlegende Dinge wie die Eintragung in die Denkmalliste oder die Erteilung einer Erlaubnis, wenn ein Denkmal saniert oder verändert werden soll. Aus meiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund, Baudenkmalpflege und Bodendenkmalpflege künftig unterschiedlich zu behandeln, zumal die unterschiedlichen Verfahren einen höheren Verwaltungsaufwand bedeuten und kleinere Denkmalbehörden überfordern dürften.“